Mit ihrer Zwei-Tracks-pro-Monat-Veröffentlichungsserie erweitern die Fribourgerinnen um strecke auf der einen Seite ihre Label-Tätigkeit, während auf der anderen Seite der Veröffentlichungsprozess lockerer angegangen wird. Liebgewonnenen Künstlern und Crew-Mitgliedern soll die Chance geboten werden, unkompliziert und schnell Musik zu veröffentlichen. Begleitet werden die digitalen EPs durch Fotoschnappschüssen. Kurzlebigkeit dient hier nicht als Negativfolie, sondern wird als reaktiver Ansatz verwendet, der strecke auch Erfahrung für Label-Arbeit liefern soll. Nach Dubtechno von Lcp und den IDM-Ambient-Variationen von Layer V präsentiert strecke zu Beginn des neuen Jahres mit Softys Frist Bloodclot eine Jungle-EP.
Dass aktuelle Produzentinnen immer wieder auf Jungle-Referenzen zurückgreifen, ist kein Novum. Das Genre wurde in Post-Rave-Experimenten verhandelt (etwa Lee Gambles Diversions 1994-1996 auf PAN, 2012), es fand Einzug in House (etwa Octa Octas «Move On (Let Go) (De-stress Mix)» auf Honey Soundsystem, 2017) und auch die ursprüngliche Energie von Jungle für Tanzflächen wurde weitergeführt (ganz aktuell hier etwa Shed aka The Higher mit «The Core», XL Recordings 2018). Zu letzterem Ansatz gehört auch Softys First Bloodclot EP.
Ben aka Softy machte bereits während Jungles Blütezeit Mitte der Neunziger seine ersten Gehversuche mit Musikproduktion. Obwohl er sich unablässig weiter damit beschäftigt hat – und sich gemäss seinen eigenen Worten in diesem Schattendasein diversen Auswüchsen elektronischer Musik widmete –, ist First Bloodclut die Debut-EP des Produzenten. Gleichzeitig war und ist Softy (oder DJ Deep House, wie er sich auch nennt) seit über einem Jahrzehnt als DJ in der Westschweiz aktiv. Und auch in dieser Tätigkeit spielt Jungle eine Rolle und wird zur Obsession, die mehr und mehr überhand gewinnt, wie er uns gegenüber erklärt.
Trotz dieser Versessenheit mit dem Genre schafft es Softy, mehr als nur Revisionismus einer klassischen Rave-Beschallung zu betreiben. Auf der einen Seite wird auf der EP die gegenseitige Anerkennung von Jungle und dem Juke-Sound aus Chicago weitergeführt – und obwohl dies kein Neuland ist, handelt es sich weiterhin um eine fruchtbare Kombination. Diese Verbindung von Londoner Amen-Break-Variationen mit den neueren Rhythmen der Windy City zeichnet dann auch hauptsächlich den ersten Track der EP aus: «Listen Style». Bei «Wheel Up Signal», also jenem Track, den wir hier exklusiv präsentieren, bildet eine solche Kombination weiterhin die Grundlage, wobei alles nochmals eine Spur stärker aufgedreht zu sein scheint: Neben Perkussionsgewittern übertönen sich fast schon im Sekundentakt 8bit-Jingles, Rave-Signal-Melodien, Zeitverzerrungseffekte und plötzliche Stopps. Das Stück wirkt, als ob jemand Tesselas Formel von «Hackney Parrot» (Poly Kicks, 2013) nochmals durch eine Breakcore-Linse betrachtet hätte.
Sowohl Softy als auch strecke verstehen es anscheinend, genauso mit Augenzwinkern auf Dinge zu schauen und neu aufzunehmen, wie ein Kontinuum ernst zu nehmen. Bei «Wheel Up» selber und auch bei der Präsentation der EP insgesamt werden diverse Referenzen in einer Waschmaschine durchgeschleudert, bis nichts mehr und gleichzeitig alles wieder funktioniert.
Softys First Bloodclot EP mit den beiden Tracks «Listen Style» und «Wheel Up Signal» erscheint diesen Mittwoch 16.Feburar via strecke.