Mannequin ist bekannt für Releases rund um EBM, Post-Punk und ähnliche, mit der Zeit des Kalten Krieges verbundene Klänge – so beschreibt zumindest das Pressematerial von Waves Of The Future den referentiellen Rahmen des Labels. Etwas mehr als ein Viertel der bisherigen Veröffentlichung bilden denn auch Re-Issues oder Archivmaterial; kürzlich wurde etwa Musik von Nocturnal Emissions und Din A Tesbild wiederveröffentlicht. Mannequin möchte aber mehr sein als die simple Glorifizierung einer vergangenen Ära wie eben erschienene EPs von JASSS und group A belegen. Alessandro Adriani, der Labelbetreiber, betont dementsprechend auch:
«Wir haben viel mehr neue Acts als alte veröffentlicht. Nur leider sind wir alle in unserer heutigen, digitalen Zeit genötigt, Dinge in Ordnern abzulegen und zu kategorisieren. Es ist dadurch auch viel einfacher von Mannequin als dem ‹EBM Label› zu sprechen. Aber schaut man sich unseren Katalog einmal an, dann entdeckt man, dass wir unter den über 100 Veröffentlichungen nur einige wenige EBM-Platten haben (was man auch immer unter diesem Akronym verstehen soll).
Mir ist wichtig, dass Mannequin ein eklektisches Label ist – aktuellen Hypes soll keine Beachtung geschenkt werden.
Ich bin immer neugierig, mit offenen Ohren genauso für die Vergangenheit wie die Zukunft. Die Gegenwart verstört mich viel mehr; wenn Dinge zum Klischee werden und sich in einer leeren Art und Weise repetieren.»
Adriani will mehr machen als einem Fetisch von Sound und Geräten zu huldigen. Dies sei nicht interessant und entspreche auch nicht mehr dem, was er im Umgang mit Produzentinnen und Künstlern erlebt.
«Maschinen- und Sound-Fetischismus interessiert mich einfach nicht mehr. Das Internet verstärkt da wohl auch eine gewisse Diskussion, die so in der Realität gar nicht stattfindet. Ich erlebe viel mehr, dass die Leute auf verschiedene Art und Weise zusammenarbeiten und Kollaborationen über Szene-Grenzen hinweg passieren. So werden neue und spannende Dinge kreiert. Und man muss ebenfalls sagen, dass diese reine Dualität einer negativen Fetisch-/Retro- und einer positiven Prospektive so auch nicht stimmt.»
Bands fördern, die noch nicht viele Veröffentlichungen hinter sich haben und Acts Aufmerksamkeit verschaffen, die diese in der Vergangenheit vielleicht nicht erhalten haben; das ist Adrianis Ziel mit Mannequin. Durch neue oder neu entdeckte Musik auf dem Label entstehen so auch andere Perspektiven auf eine bestimmte Ästhetik. Dieser Weg soll wohl auch in naher Zukunft weiter beschritten werden. Adriani erwähnt betreffend kommender Veröffentlichungen die Weiterverfolgung der ‹Death Of The Machines› Serie des Labels mit Künstlern wie Black Merlin, Amato und anderen. Was Re-Issues angeht, sind drei LPs der italienischen Computermusikerin Doris Norton aus den 1980er Jahren geplant. Daneben bleibt aber Mannequin nicht zuletzt auch einfach eine Herzensangelegenheit:
«Guiseppe Tomasi di Lampedusas schreibt in Gattopardo, einem grandiosen Liebesroman von 1958:
‹Wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, muss sich alles ändern›… Nun, Mannequin entspricht nicht dieser Philosophie.
Ich lasse mich auch treiben, finde Inspiration in meiner Umwelt – ohne grosse Erwartungen. Ich veröffentliche einfach das, was ich hören will und was bei mir bestimmte Emotionen auslöst. Es ist wirklich viel einfacher für mich, als man sich das vorstellen kann.»
Dieser Intention ist Adriani dann auch gefolgt, als er Waves Of The Future und damit das 100. Release des Labels zusammengestellt hat. Der gemeinsame Nenner der acht involvierten Produzenten ist, dass sie zum einen noch nicht wirklich auf Mannequin veröffentlicht haben und dass sie vor allem enge Freunde und Unterstützer des Labels sind – so wie etwa Alessio Natalizia aka Not Waving:
«Er ist der andere Italiener, welcher es geschafft hat, ein Archiv von Musik aus dem Italien der 80er Jahre richtig zu durchforschen und es dann der Welt mit der tollen Mutazione Compilation näher zu bringen. Ich fühle mich sehr verbunden mit ihm – sowohl mit seiner generellen Vision als auch mit dem, was er mit seinem Label Ecstatic macht.»
Für Waves Of The Future hat Natalizia einen seiner berühmt-berüchtigten Not Waving Tracks beigesteuert, der Post-Punk, Computer Musik, Acid und jede Menge Spass verschmelzen lässt zu einer völlig korrekt betitelten Geheimwaffe.
Waves Of The Future wird am 16.Febuar veröffentlicht inklusive Not Wavings «Secret Weapon» und weiteren Beiträgen von Silent Servant, Ron Morelli, Beau Wanzer, Shawn O’Sullivan, Willie Burns, Illum Sphere sowie An-i und Adriani selber.