Andrea Taeggi ist ein klassisch ausgebildeter Musiker. Im Anschluss an sein Klavier-Studium musste er teilweise das Erlernte wieder verlernen, um sich als eigenständiger Künstler zu positionieren. In einem Interview für die 13. Ausgabe von zweikommasieben mit Lumisokea (ein Duo, das er zusammen mit Koenraad Ecker bildet) meinte Taeggi etwa, es wäre schwierig gewesen von Jazz-Akkord-Abfolgen loszukommen. Er habe sich ein Gerät ohne Keyboard kaufen müssen, um möglichst weit weg von den Mechanismen zu kommen, die er sich im Rahmen des Klavier-Unterrichts angeeignet habe, so der Künstler. Und weiter: «Wenn ich also kein Keyboard sehe, ist es mir möglich neue Ideen zu entwickeln. Sonst fällt man immer wieder zurück.» Das scheint dem mittlerweile in Berlin lebenden Italiener durchaus geglückt zu sein. Davon zeugen Veröffentlichungen, die er unter seinem bürgerlichen Namen oder als Gondwana, sowie als Teil von Lumisokea auf Labels wie Opal Tapes, Type oder Alter veröffentlichte.
https://soundcloud.com/zweikommasieben/andrea-taeggi-the-mast-years/s-RzGMz?in=zweikommasieben/sets/andrea-taeggi-nomeri-tere/s-ARMfY
Während verschiedener Residenzen, die im letzten Jahr stattfanden, ging Taeggi jedoch erneut seiner Faszination für das Klangspektrum des Pianos nach – zurück zu den Wurzeln, zurück zum Klavier. Nun war jedoch nicht mehr die Klaviatur sein Zugang zum Instrument, sondern dessen Innenleben: Der Musiker beschäftigte sich am EMS in Stockholm, wo eine der Residenzen stattfand, ausgiebig mit einem umgestimmten Innenklavier. Diese Studien und insbesondere die auf verschiedene Arten manipulierten, metallisch klingenden Saiten des Instruments bilden entsprechend einen zentralen Strang von Noméri—Tere, einem Album, das im letzten Jahr entstand und am 19. April 2018 bei Präsens Editionen erscheint.1 Es speist sich aus Einflüssen der zeitgenössischen Musik und Elektroakustik, aber auch aus der karnatischen Musik Südindiens, aus freier Improvisation, Foley und anderer Traditionen.
Ergebnis dieser Zusammenführung verschiedener Zugänge ist eine holistisch anmutende Klangökologie, in der sich motivartige Momente finden, aber auch Tauchgänge in seltsam fremd anmutende Tiefenschichten; grollend-dumpf dröhnende Abgründe und Echos, durch die es hölzern rattert, fiept und knirscht. Eingefügt in diese naturalistische Umgebung und nahtlos an sie anknüpfend entspinnen sich Gewirre elektronischer Manipulationen und Effekte. So wird die unmittelbare Nähe eines Kammerspiels immer wieder entrückt, es eröffnen sich kaum überblickbare Weiten, Familiäres verliert sich ruckartig in fremden Rhythmen. Mitten in die meditativen Momente platzt immer wieder unmittelbar der Funk, der sich aber darauf wieder wie von den Wänden einer Schlucht abprallend im Dunkel verliert. Über das Werk hinweg bauen sich so schemenhaft Strukturen auf, um dann wieder zu verschwinden; Umrisse von Kommunikation sind zu erahnen, Laute, Signale, Zeichen…
Andrea Taeggis Noméri—Tere erscheint am 19. April 2018 als limitierte Auflagen an a) Dubplates und b) Booklets, sowie digital. Am Tag der Veröffentlichung findet im DeSpace Luzern ein von zweikommasieben organisierter Konzertabend statt, im Rahmen dessen neben Taeggi, der Noméri—Tere vorstellt, auch Cam Deas auftritt.
- Full disclosure: Präsens Editionen ist nicht nur Herausgeber von Noméri—Tere, sondern auch von zweikommasieben. ↩