26.07.2022 von Remo Bitzi, Samuel Savenberg

Premiere: Jasss x Silent Servant – «Años Perros» von Ostgut Ton | Fünfzehn + 1

Die spanische Künstlerin Silvia Jiménez Alvarez aka Jasss hat einen ereignisreichen November vor sich: Ende des Monats wird sie ihre zweite LP A World Of Service auf Ostgut Ton veröffentlichen und zuvor zusammen mit Silent Servant einen Track für die Compilation Ostgut Ton | Fünfzehn + 1 beisteuern, die am 5. November 2021 erscheinen wird. Noch vor der offiziellen Veröffentlichung der Compilation stellen wir exklusiv «Años Perros» von Jasss und Silent Servant vor. Ausserdem präsentieren wir bei dieser Gelegenheit ein Gespräch zwischen Jasss und Samuel Savenberg sowie Remo Bitzi, das ursprünglich in Ausgabe #17 unseres Printmagazins erschienen ist.

«Ostgut Ton | Fünfzehn + 1 ist eine Compilation zum 16-jährigen Bestehen von Ostgut Ton», heisst es im Pressetext, und zu diesem Anlass geht das Berliner Label aufs Ganze: Das 5x12inch-Vinyl-Boxset ist dem Berghain gewidmet, und erscheint am 3. Dezember 2021 physisch, nachdem es einen Monat zuvor bereits digital veröffentlicht wird. Die Compilation bringt Residents des Clubs, Künstler des Labels und weitere enge Weggefährtinnen zusammen, die in Paaren zusammengearbeitet haben. Die dabei entstandene Musik steht dabei jeweils im Geleit der fünf verschiedenen Floors der Berliner Institution.

Eine dieser Paarungen besteht aus Jasss und Silent Servant, die «Años Perros» beigesteuert haben. Der Track, und das ist eine persönliche Meinung, würde wahrscheinlich auf dem namensgebenden Mainfloor des Clubs sehr gut ankommen. Über siebeneinhalb Minuten schreiten die beiden Musiker klar nach vorne, ohne nur eindimensional oder gradlinig zu sein. Ein Techno-Track mit melodischem Feingefühl, bei dem die Fähigkeiten der beiden Kollaborateurinnen durchscheinen.

Während «Años Perros» direkt auf die Tanzfläche zielt, zeigt Jasss‘ zweite LP A World Of Service, die am 26. November 2021 ebenfalls auf Ostgut Ton erscheinen wird, einen ganz anderen Ansatz: Das Album gibt Zeugnis einer vielseitigen Künstlerin, die in der Lage ist, ein breites Spektrum an Einflüssen kohärent zu vereinen. Neben der exklusiven Premiere von «Años Perros» veröffentlichen wir an dieser Stelle ein Interview aus zweikommasieben #17, in dem Jasss unter anderem erzählt, wie sie in jungen Jahren musikalisch sozialisiert wurde und über ihre Weigerung spricht, sich nur auf einen Sound oder eine Ästhetik festzulegen. In dieser Hinsicht scheint sich also nicht viel geändert zu haben.

Premiere: Jasss x Silent Servant – „Años Perros“  von Ostgut Ton | Fünfzehn + 1

Orte voller Radikalität—Ein Interview mit Jasss 

«I guess the whole point behind playing records in this kind of situation is to remember what’s the opposite of pretentious», schreibt Jasss begleitend zu ihrem Beitrag zur Ninja Tunes-Mixserie Solid Steel. Der Mix startet alles andere als tanzbar, geschweige denn eingängig. «So do you first have to remind us what is pretentious?», hallt es nach 1:12 Minuten Spielzeit in der Kommentarspalte zurück. Social Media ist eben gnadenlos. Und doch trifft Silvia Jiménez Alvarez, so der bürgerliche Name der Musikerin, mit ihrer Ansage den Nagel auf den Kopf. Neugier gekoppelt mit ein bisschen Fuck You-Attitüde und viel Liebe für die Musik.

Mit ihrem Debütalbum Weightless, das auf dem Experimental-Label Ideal Recordings erschienen ist, ist Jasss eine eindrückliche Gratwanderung aus kindlicher Neugierde und konzeptuellem Schaffen gelungen. Ein wichtiger Punkt, an dem schon der eine oder die andere Produzentin über Albumlänge gescheitert ist. Einerseits ist dem Album etwas sehr Verspieltes eigen, gleichwohl werden viele unterschiedliche Tonaufnahmen und Samples vereint, ohne dass das Ganze überladen wirkt. Im Gegenteil – der Titel wird dem Album durchaus gerecht.

Just zum Abschluss des Jahres 2017 wurde Jasss in die Berner Dampfzentrale zu einem Auftritt als DJ eingeladen. Samuel Savenberg und Remo Bitzi trafen die Musikerin davor zu einem Interview für zweikommasieben.

Remo Bitzi Mir ist aufgefallen, dass in Rezensionen wie auch Festival-Programmtexten etc. deine musikalischen Einflüsse viel Platz einnehmen. Ich gehe davon aus, dass das von einem Pressetext übernommen worden ist; etwas, das ja nicht neu ist, mir aber dennoch auffiel. Afrikanische Dub-Musik, Free-Jazz – was hat es damit auf sich?

Silvia Jiménez Alvarez Meinetwegen darf ein Journalist schreiben, was er will. Wenn meine Musik bei jemandem Bilder oder Geschichten hervorrufen, dann ist das schön. Umso mehr, wenn ich das auch nachvollziehen kann. Gerade bei Sachen, die online publiziert werden, gibt es aber noch einen weitere Ebene: die der Kommentare. Diese ist in meinen Augen eher kompliziert. Es ist die Reaktion auf die Reaktion auf meine Kunst. Und das kann auch mühsam sein. «Ja klar, afrikanische Musik. Jasss wirkt ja so afrikanisch!», heisst es etwa. Dabei habe ich selbst das gar nicht behauptet. Um die Frage nach den Einflüssen zu beantworten: Das ist tatsächlich Musik, die ich viel gehört habe und somit hat sie auch mein Schaffen beeinflusst. Aber das gilt doch für alles, was einen umgibt. Ich bin mit vielerlei Musik aufgewachsen. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken.

RB Kannst du das ausführen?

SJA Meine Eltern sind weder Musiker noch Künstler oder sonst irgendwie in eine entsprechende Szene involviert. Sie sind Teil der Arbeiterklasse, aber sie sind sehr interessiert und gebildet. Das ist heute aus mitteleuropäischer Sicht vielleicht gar nicht so einfach zu verstehen, aber ich denke, für sie war Musik eine Form von Eskapismus. Meine Eltern waren noch jung, als sie eine Familie gründeten. Sie selbst sind unter dem Franco-Faschismus aufgewachsen. Unruhen und Tumulte waren damals Teil des spanischen Alltages. Entsprechend war die Stimmung sehr politisch, was sich vermutlich auch im Konsum entsprechender Kunst, Musik und Literatur bei meinen Eltern manifestierte. Spanien war in vielerlei Hinsicht ein abgeschottetes Land. Meine Eltern hatten Freunde, die verbotene Schallplatten in das Land importierten. Das alles passierte nicht in grossen Städten, sondern wir reden hier von Dörfern und ländlichen Regionen. Ich glaube, all das war dem Versuch geschuldet, sich nicht durchschnittlich oder mittelmässig zu fühlen. Denn unter Franco war alles irgendwie normal und durchschnittlich. Aber auch traurig.

RB Verstehe ich das richtig: Es entsprach nicht der Norm, sich für diese Art von Musik zu interessieren oder überhaupt Zugriff dazu zu haben?

SJA Spanien war abgeschottet. Vieles fand weder ins Land rein noch aus dem Land raus.

RB Wie war das denn für dich als Kind? War dir bewusst, dass du mit «anderen» Dingen oder Ansichten gross geworden bist als etwa deine Mitschülerinnen?

SJA Es hat lange gedauert, bis ich Mitmenschen fand, deren Interessen sich mit meinen deckten. Das war gegen Ende meiner Zeit am Gymnasium. Es ist ja noch gar nicht so lange her und ich will hier nicht alt klingen, aber da, wo ich herkomme, gab es für mich keine Möglichkeiten, auf Gleichgesinnte zu stossen. Ihr müsst verstehen: Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Und es ist nicht so, dass ich da aufgewachsen und danach sofort in eine grosse Stadt gezogen wäre, kaum war ich volljährig. Nein. Das hat mich schon geprägt. Ich denke, diese Dörfer sind Orte voller Radikalität.

RB Orte voller Radikalität, wie meinst du das?

SJA Die Leute in diesen Dörfern argumentieren oft mit: «…weil es schon immer so war.» Da, wo ich aufgewachsen bin, war diese Macho-Attitüde sehr verbreitet. Aber sie war so überspitzt – für mich hat das beinahe wie eine Parodie gewirkt. Ich konnte dies bereits als Kind nicht ernst nehmen. Alles war auf die Spitze getrieben, man konnte es nicht für voll nehmen.

Samuel Savenberg Würdest du sagen, dass du einen anderen Zugang zu Musik hattest als Kind?

SJA Klar, absolut.

SS Und hast du das damals bereits so wahrgenommen?

SJA Ich habe mich für andere Dinge interessiert, und es fiel mir nicht so leicht, meinen Platz zu finden. Nicht, dass ich gemobbt oder ausgestossen worden wäre, aber es gab halt wenig verbindende Elemente mit anderen. So zumindest empfand ich es. Vielleicht ist das aber auch ein ganz normales Gefühl, wenn man erwachsen wird. Dieses Gefühl von Distanz und Fremdheit, das ist ja nicht der Kaste der intellektuellen Kulturinteressierten vorbehalten. Aber klar, es gab unübersehbare Unterschiede: Welche Musik zuhause gehört wurde oder über welche Themen am Familientisch gesprochen wurde.

RB Fährst du noch oft in das Dorf zurück, in welchem du aufgewachsen bist?

SJA Ich fliege übermorgen zurück. Und ich freue mich. Wir leben ja gerade in einer Zeit, in der man gerne aus der Distanz beobachtet und kritisiert. In solchen Dörfern funktioniert das aber nicht. Da gibt es noch ganz andere Denkmuster. Trotzdem lässt sich nicht alles in Gut und Böse einordnen. Und ich frage mich: Kann ich etwas von den sozialen Dynamiken von da lernen? Klar kann ich das.

SS Ich finde deine Beobachtung interessant. Es geht ja auch darum, dass man sich zunehmend in einer Blase wiederfindet, in der Ideale und Umgangsformen vorherrschen, die fernab der Realität sind. Und das kann als von oben herab wirken.

SJA Spricht man mit gewissen Leuten, die man oft in grösseren Städten antrifft, bekommt man oft den Eindruck, dass sie etwas sagen wollen im Stile von: «Wir haben die perfekte Welt und wir werden dich lehren, wie du richtig zu leben hast.» Man kann all seinen Freunden erzählen, wie man zu leben habe oder was Offenheit bedeute, aber Pepe aus meinem Dorf, den wird man nicht einfach so überzeugen können. Pepe sieht die Welt anders; und daran wird sich so schnell nichts ändern. [Lacht]

SS Weiss Pepe denn, was du so machst?

SJA «Sie reist viel wegen ihrer Musik.» Das würde man wahrscheinlich in meinem Dorf zu hören bekommen. Ein wirkliches Interesse an meinem Schaffen gibt es kaum, denke ich.

SS Du bist erst spät auf elektronische Musik gestossen. Du warst also nie ein Klub-Kid oder so?

SJA Ich mag den Klub als Ort. Aber würde mich nicht als Klub-Kid bezeichnen. Wenn ich einen Klub besuche, fühle ich mich wie ein Stalker.

SS Welcher Aspekt am Klub interessiert dich?

SJA Für mich besitzt der Klub etwas Utopisches und Verträumtes. Es gibt das grosse Soundsystem. Wer auch immer Musik abspielt, ist im Besitz von viel Macht. Er entscheidet über Auswahl und Lautstärke. Das finde ich grossartig. Ich denke dabei daran, wie meine Freunde und ich früher abends zusammen in der Küche sassen und einander Musik vorspielten. Das war vor der Zeit von YouTube, entsprechend leidenschaftlich wurde gekämpft und diskutiert, um dann diejenige Glückliche zu sein, die ihre Musik den anderen abspielen konnte und somit die Macht hatte. Im Klub gibt es keine Diskussion darüber. Als DJ ist man verantwortlich und wenn es den anderen nicht passt, haben sie Pech gehabt. Sie können meinetwegen sogar reden, die Musik ist sowieso laut genug. Es gibt so viel tolle Musik und die Möglichkeit, diese in hoher Lautstärke anderen zu zeigen, ist grossartig. Musik zu entdecken, gibt mir schon einen Adrenalinschub, sie dann noch auf einem guten Soundsystem abspielen zu können umso mehr.

RB Weil da Leute zuhören oder grundsätzlich?

SJA Sowohl als auch. Musik bedeutet mir sehr viel. Und sie zu spielen auch. Das ist mehr als einfach nur Spass für mich. Es berührt mich! Klar gibt es unterschiedliche Situationen – morgens um 10 Uhr das Closing zu spielen, hat nicht denselben Reiz. Aber es kommt schon vor, dass ich in einem Set zum ersten Mal eine Neuentdeckung spiele und in der Situation richtig weggeblasen werde. Eben, das löst einen Schub aus.

SS Diese Leidenschaft könnte gut als Begründung dienen, dass du als DJ und nicht als Livemusikerin unterwegs bist.

SJA Ich spiele auch live. Ob ich auflege oder live spiele, hängt vom Anlass ab. Für Live-Sets mag ich den Klub-Kontext nicht so sehr. Wenn ich aber ein Konzert im Rahmen eines Festivals spielen kann, dann mache ich das gerne. Bis anhin habe ich erst dreimal live gespielt, wobei alle drei Male unter perfekten Umstände stattfanden.

SS Die Leute haben wahrscheinlich ziemlich unterschiedliche Vorstellungen davon, wie deine Live-Konzerte werden – je nach dem was sie von dir kennen.

SS Das stört dich aber nicht, oder? Also spielst du gerne mit der Erwartungshaltung des Publikums?

SJA Klar, ich liebe es. Ich würde es nicht als Spiel bezeichnen; mir wird einfach schnell langweilig. Und ich denke nicht, dass ich meine Lust, Neues auszuprobieren, den Erwartungen anderer unterordnen sollte, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Letztlich habe ich aber das Glück, keine allzu grosse Fangemeinde zu haben, was eben auch mehr Freiheit bedeutet.

SS Erwartungshaltungen in der elektronischen Musik sind ja ohnehin spannend. Man erlangt mit den eigenen Produktionen einen Bekanntheitsgrad, wird anhand dieser gebucht, und spielt dann meistens als DJ. Und obschon das Standard ist, sorgt das doch immer wieder für Verwirrung.

SJA Das Wichtigste bei alledem ist, sich nicht drum zu kümmern. Menschen haben ohnehin ihre eigenen Kriterien – und das völlig zurecht. Ist es nicht fantastisch, wenn jemand mein Schaffen richtig scheisse findet? Hauptsache es gibt eine Reaktion. Wie die ausfällt, sollte sich aber nicht auf meine Arbeit auswirken. Klar, am Ende des Tages muss die Miete bezahlt werden und Essen auf dem Tisch stehen. Trotzdem sollte man sein Ding durchziehen. Wie ein Kind… Ja, ich glaube, wie ein Kind voller Sturheit und Freude.

RB Kannst du erläutern, was genau du damit meinst?

SJA Mit dem Alter wird man zynischer. Man beginnt, gewisse Sachen anders zu handhaben. Das sind Strategien, die durchaus Sinn machen, aber umso schwieriger wird es, diese zu dekonstruieren oder sich überhaupt vorzustellen, dass es für alles mehrere Möglichkeiten gibt. Es wird überhaupt schwieriger, seine Kreativität und Fantasie zu benutzen. Dies auf das Musikmachen zu übertragen, heisst: Man hat etwas aufgenommen, hat einen Loop daraus gemacht und dann hört man nicht auf, sich den anzuhören, voller Begeisterung darüber, wie er klingt. Dieses kindliche Gefühl, das ist wunderbar.

RB Hast du das noch oft beim Produzieren?

SJA Ich habe in letzter Zeit wenig produziert, da ich viel unterwegs war. Es hat aber auch mit der Art und Weise zu tun, wie ich aufnehme. Wenn ich Musik mache, dann ist das eine bewusste Entscheidung. Da ist immer eine Stimmung, die ich festhalten möchte, ich gehe nicht einfach ins Studio und nehme ein paar Geräusche auf. Ich brauche schon ein Konzept.

RB Wie gehst du bezüglich Sampling vor? Es scheint so viele verschiedene Soundquellen zu geben. Zum Beispiel die Stimme beim Track «Mother»…

SJA Das ist meine eigene Stimme – also Sampling im weiteren Sinne. Aber was meint ihr genau?

SS Ist es nicht eine grosse Herausforderung, mit so unterschiedlichem Material zu arbeiten? Gerade wenn du sagst, dass du mit sehr konkreten Ideen an die Sache herangehst.

SJA Ja, aber das kommt später. Ich brauche keine Melodie oder so, um zu beginnen. Ich brauche eine Stimmung. Alles andere ergibt sich in der Folge. Natürlich ist das zeitintensiv, aber das wurde noch nie zu einem Problem für mich. Ich weiss ja nicht, wie andere Leute produzieren, aber für mich ist das eine ziemlich emotionale Angelegenheit. Und ich glaube, das hört man der Musik an. Sie besitzt immer auch eine kitschige Komponente. Am Anfang bin ich damit jeweils noch vorsichtig, bevor ich dann zu mir sage: «Bring in the cheese». Mit dem Sampling ist es wie mit allen Elementen, die Teil der Musik werden. Zuerst gibt es eine Stimmung, die ein Profil, eine Textur erhalten muss. Ich habe neulich einen Song für eine Compilation gemacht. Das Stück basiert auf einer einfachen, süssen Synth-Melodie und wird durch einige Field Recordings ergänzt. Es handelt sich um Aufnahmen, die ich in der Nähe eines Swimmingpools gemacht habe. Der Track war fertig und ich legte ihn eine Weile zur Seite. Nach längerer Zeit hörte ich ihn mir wieder an und seit diesem Moment – ich kann mir nicht erklären, warum dem so ist – habe ich ein ganz konkretes Bild in meinem Kopf, wenn ich das Stück höre: Das Bild von meinem Vater in seiner Kindheit. Das ist sehr seltsam und steht eigentlich im Widerspruch zu dem, was ich anfangs gesagt habe. Weil offensichtlich dachte ich nicht an meinen Vater, als ich das Stück machte.

RB Im Vergleich zu deinen früheren Veröffentlichungen ist dein Album ziemlich anders. Das waren dann also auch ganz andere Stimmungen?

SJA Nun, ich bin eine sehr launische Person. [Lacht] Ich arbeite bereits an und mit meinen nächsten Stimmungen. Aber dieses Mal wird es wohl ein wenig länger dauern.

SS Würdest du dir wünschen, dass die Menschen beim Hören deiner Musik von dem Entstehungsprozess und den Stimmungen wissen?

SJA Oh, auf keinen Fall, nein! Manchmal lese ich Kritiken und da werden regelrechte Geschichten erzählt, oder auch erfunden. «…es fühlt sich an, als ob man durch die Wüste fährt…» Aber da wird durch gar keine Wüste gefahren! [Lacht] Aus dem Grund möchte ich nicht, dass die Hörerinnen im Vorfeld bereits zu viel Hintergrundinformationen haben. Dadurch sagt man den Leuten unter Umständen nämlich, was sie zu fühlen haben. Aber wisst ihr, wozu ich gerne fähig wäre? Ich würde gerne meine Musik mit den Ohren Fremder hören können. Meine Musik mit neutralen Ohren hören zu können, wäre grossartig. Würde ich es mögen? Was würde ich anders machen?

RB Lass uns zum Schluss über das Auflegen sprechen. Mir ist beim Anhören deiner Mixe aufgefallen, wie eklektisch diese ausfallen. Es gibt viele Variationen in Tempo und Stil. Das hat mich beeindruckt und ich wollte fragen, wie du das gerade auch in einem vollen Klub hinbekommst?

SJA Ich glaube, dass man das Klub-Publikum manchmal unterschätzt. Ich habe neulich in einem Kunstmuseum im Baskenland gespielt. Ich wurde gebucht und mir wurde gesagt, ich solle keine Tanzmusik spielen. Das habe ich auch gemacht und die Leute haben trotzdem richtig gefeiert und wir hatten eine tolle Zeit.Bei der letzten Mannequin-Labelnight in der Säule des Berghain habe ich fast nur Bassmusik gespielt. Man würde wahrscheinlich nicht davon ausgehen, dass das zusammenpasst – Bassmusik im Rahmen einer Mannequin-Labelnacht. Aber die Leute fanden es super. Körper mögen Rhythmus mehr als Genres.

 

Ostgut Ton wird am 5. November 2021 die Compilation Ostgut Ton | Fünfzehn + 1 und am 26. November 2021 das Album A World Of Service von Jasss veröffentlichen.