zweikommasieben
Magazin #18
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Einmal mehr versammeln sich in dieser Ausgabe von zweikommasieben eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie es einem vergönnt sein kann, zu einer anderen Wahrnehmung von Welt zu gelangen. Denn viele der Künstlerinnen, Musiker und Kontributorinnen im vorliegenden Heft erzählen von einem anderen Sehen und Hören, einem anderen Erleben.
Künstlerinnen sind Experten darin, sich eine andere Wahrnehmung zu erarbeiten. Etwa, wenn nach neuen Kontexten für die Aufführung oder Präsentation des Geschaffenen gesucht wird – wie das Gerben de Louw für das holländische Label Queeste oder Philip Müller in Bezug auf sein Projekt DJ Heroin tun. Die Performerin Sue Tompkins indessen betont, wie andere Kontexte und Orte als Katalysatoren für ein anderes Auftreten dienen können. Für DJ Lycox war der Umzug von seiner Heimatstadt Lissabon nach Paris entscheidend, um eine neue Perspektive auf die Musik zu gewinnen. Und Melika Ngombe Kolongo alias Nkisi hat sich den anderen Blick auf die Welt, ja gar die Möglichkeit des Blicks in andere Welten gleich zum Pseudonym erwählt – handelt es sich doch bei den Nkisi um rituelle Skulpturen im präkolonialen Kongo, die in der Lage sind, in unsere Welt zu blicken, während wir durch sie die Möglichkeit erhalten, in die Unterwelt zu schauen.
Bogomir Doringer hat sich den anderen Blick im modernen Sinn medientechnisch erarbeiten können: Er hängt Kameras an die Decken von Klubs und Festivalzelten, um so aus der Vogelperspektive auf die Tanzflächen schauen zu können. So beobachtet er die Tanzenden wie durch ein Mikroskop auf einer Petrischale – und plötzlich ist es das Vokabular der Zellbiologinnen, das ihm für die Beschreibung des Gesehenen am Relevantesten erscheint. Hier schlägt ein neuer Blick in Sprache um – genau wie auch ein neues Hören von Klängen ein anderes Schreiben befeuern kann. So gelingt es Alexander Iadorola, dank den mineralischen Sounds des Produzenten Lechuga Zafiro und der Komponistin Catherine Christer Hendrix eine sprachbildlich-assoziative Rezension der Werke zu entfalten, die poetisch anmutet.
Poesie und die Möglichkeiten der Sprache poetisch zu werden interessieren auch die New Yorker Musikerin Eartheater, wie sie im Interview für diese Ausgabe betont. Ebenso lässt sich Simian Keiser, der für uns in seiner Lyrik-Kolumne «Soundtexte» nach immer neuen Verbindungen von Klang und Wort sucht, von dieser Suche anleiten. Die von ihm in dieser Ausgabe vorgestellte Lyrikerin Dagmara Kraus ist ein Paradebeispiel dafür, wie Sprache und ihr Klang Raum einnehmen können und neue Zugänge, ein neues Hören und Verstehen erlauben.
Uns sind all diese Versuche und Experimente Inspiration für ein Magazin, das für sich in Anspruch nimmt, mitunter deren Vielfalt zu dokumentieren. Wir hoffen, dass unser Staunen über das sich in immer neuen Anstrengungen erarbeitete künstlerische Wissen von unseren Leserinnen geteilt wird und sich der eine oder die andere von der Suche inspirieren lässt oder sich ihr gar anschliesst.
Bis bald
die Redaktion