Die Kritik an Red Bull wird lauter. Sie scheint nun auch (manche würden wohl sagen: endlich) aus denjenigen Szenekreisen zu kommen, die sich in den vergangenen Jahren eher off the record dazu äusserten – aber vor der Zusammenarbeit mit den vom Konzern beauftragten Agenturen nur bedingt zurückschreckten. Einer relativ reisserischen Dokumentation zu den mit Red Bull Sportevents verbundenen Todesfällen von Sportlern, kolportierten Knebelverträgen mit KünstlerInnen und einer veritablen Monopolisierung subkultureller Archive über mindestens ein Jahrzehnt zum Trotz – nun erst formiert sich auch in der Musikszene, so scheint es, der Widerstand gegen den Getränkeriesen und seinen Marketingaktivitäten.
Obwohl das Engagement von Red Bull vielen schon länger ein Dorn im Auge gewesen sein mag: Erst als Red Bull Impresario Mateschitz letztes Jahr mit rechtspopulistischen Äusserungen auffiel und bekannt wurde, dass er eine «Rechercheplattform» mit Rechtsdrall finanziert, nahm die Kritik richtig Fahrt auf. Wie verschiedene Szene-Protagonist*innen derzeit nicht müde werden zu betonen, macht man sich nun als Partner oder Nutzniesser der Marketing-Aktivitäten von Red Bull also mindestens mitschuldig am Widererstarken der Rechten. Die politische Grosswetterlage führt derzeit auf allen Seiten zu affektiver Rechthaberei und Mikro-Populismen. Obwohl der gegenwärtige Kult der Sensibilität und die damit einhergehende, omnipräsente Ästhetik der Awareness nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürften: Die Kritik an den Aussagen eines Mateschitz ist sicher berechtigt.
Es dürfte also selbstverständlich sein, sei aber an dieser Stelle trotzdem noch einmal betont: zweikommasieben sowie Präsens Editionen als Verlag hinter dem Magazin distanzieren sich mit aller Deutlichkeit vom reaktionären und populistischen Gedankengut, das Herr Mateschitz über eine alteingesessene österreichische Provinzzeitung in die Welt getragen hat. Wir sind uns auch bewusst, dass die im Vergleich zur subkulturellen Prekarität sämtlicher Nischenmusik megalomane Marketingmaschinerie seines Konzerns bestenfalls ambivalent zu beurteilen ist. Gleichzeitig aber – und hier wird die Sache nun etwas vertrackter – haben wir von der mehrjährigen Zusammenarbeit mit Red Bull bzw. der Red Bull Music Academy profitiert. Neben der öffentlichen Hand, die unsere Veranstaltungen und Projekte teils subventioniert, hat Red Bull das Magazin bereits in den Kinderschuhen mit dem Schalten von Anzeigen unterstützt und uns im Rahmen von Kooperationen Veranstaltungen ermöglicht, die wir sonst so nicht durchgeführt hätten. Dabei haben wir intern die Zusammenarbeit mit Red Bull seit Anfang an offen und kritisch reflektiert – lange bevor Herr Mateschitz vergangenes Jahr in einem Provinzblatt Dinge gesagt hat, mit denen die AfD derzeit in Deutschland die Parlamente stürmt bzw. die SVP dieselben in der Schweiz ja bereits seit längerem besetzt. Doch selbst unabhängig vom Gedankengut des Gründers gibt es zig gute Argumente, die gegen solche Zusammenarbeiten sprechen. Einige von uns haben diese teilweise in unseren internen Diskussionen auch selbst vertreten bzw. vertreten sie gar weiterhin – durchaus auch mit der selben Inbrunst und Selbstgerechtigkeit, die auch die Debatte in den sozialen Medien prägen. Aufmerksame zweikommasieben-Leser haben diese Argumente vielleicht gar im Magazin aufgegriffen gefunden.
Auch bei der nun von uns präsentierten Veranstaltung im Rahmen des Red Bull Music Festivals handelt es sich um eine der erwähnten Kooperationen. Die Paneldiskussion zu den Zusammenhängen und Wechselwirkungen von Kunst– und Klubszene und deren Gäste sowie die darauf folgenden Konzerte entsprechen dem Fokus unseres Magazins und finden zudem mit dem Schwarzencafé an einem Ort statt, der Thematik und Inhalten gerecht wird. Dafür braucht es Red Bull nicht zwingend – das haben wir mit unzähligen weniger gut oder gar nicht unterstützten Projekten in den letzten sechs Jahren immer wieder bewiesen. Dennoch ist jener Kontext in unseren Augen ein relevanter und darüber hinaus eben auch ein gut finanzierter, der es uns erlaubt, involvierte Künstlerinnen (und ja, auch uns) in angebrachtem Ausmass zu entschädigen.
Wir leben im Netzwerkzeitalter, in dem Zusammenhänge und Beziehungen Positionen zeichnen. Das Paradigma der Unabhängigkeit, das für das bürgerliche Zeitalter und die von ihm geschaffenen Öffentlichkeiten noch prägend war, wird nicht nur von dem digitalen Regime der Immersion in Frage gestellt. Auch der immer noch zur Krise verniedlichte Niedergang klassischer Massenmedien — insbesondere im Print-Bereich – sorgt dafür, dass entsprechende Vorstellungen über kurz oder lang hinterfragt werden müssen. Die kurz hintereinander erfolgenden Ankündigungen, dass sowohl SPEX wie auch GROOVE den Druck einstellen, ist dafür nur ein jüngstes und für unsere Szenenzusammenhänge besonders relevantes Zeichen. Der «Markt», den wir nie als solchen begriffen haben, weil unsere ganze Operation entsprechenden Gesetzmässigkeiten und finanziellen Zwängen so oder so nie gerecht werden konnte, bricht ein. Wichtiger aber noch: Die Souveränität und Unabhängigkeit von Medien per se ist längst Gegenstand populärer und populistischer Auseinandersetzung. Da gibt es einen differenzierteren Diskurs einerseits – etwa unlängst im Podcast des ehemaligen Bloggers und Vox-Gründers Ezra Klein. Andererseits wird aber auch in deutschen Städten «Lügenpresse!» geschrien und man fragt sich, ob uns die Auswirkungen dieser «Kritik» an den so genannten Mainstream-Medien nicht letztlich tatsächlich in ein postfaktisches Zeitalter führen.
Wir haben für uns auf jeden Fall entschieden, sämtliche unserer Aktivitäten in (Un)Abhängigkeiten zu denken: In einem Spektrum von Beziehungen und Positionierungen; wo wir aufgrund von gewissen Parametern (Finanzierung, kuratorische und redaktionelle Freiheiten, …) entscheiden, inwiefern Zusammenarbeiten für uns Sinn machen und welche Konsequenzen sich daraus für die von uns präsentierten Inhalte und Haltungen ergeben. Man kann uns diesbezüglich Opportunismus unterstellen – oder aber den pragmatischen Hintergrund dieser Entscheidung sehen. Wir stellen uns jederzeit gerne der Diskussion und behandeln sämtliche Aspekte unseres Tuns mit absoluter Transparenz gegenüber allen Beteiligten. Wir sind überzeugt, dass kulturelles und kulturpolitisches Handeln sehr schnell sämtliche Ambivalenz-freien Safe Spaces verlässt, berücksichtigt es dabei möglichst viel Komplexität. Das bedeutet zwangsläufig, dass es gilt, das eigene Handeln stets zu reflektieren und auf blinde Flecken hin zu untersuchen – was wir zumindest immer wieder aufs Neue versuchen.
In diesem Sinne: So long – die Verantwortlichen des zweikommasieben Magazins.