Was in diesen Diskussionen selten eine Rolle spielt, ist die Frage, wie die Zürcher Klubszene – im internationalen Vergleich mit anderen Städten – auch weiterhin aufgestellt sein wird. Zum Beispiel München: In der ca. dreimal so grossen Stadt (mit ungefähr gleichgrossem Einzugsgebiet) gibt es schätzungsweise nur halb so viele vergleichbare Klubs. Man wird schon bis Berlin reisen müssen, um eine noch grössere Klubdichte zu finden.
Der Grund dafür scheint mir einmal mehr in den finanziellen Möglichkeiten der Schweiz zu liegen. Trotz der teilweise restriktiven Bedingungen, unter denen Klubs auch hier ihr Dasein fristen, ist der Weg vom Yeah-lass-uns-einen-Klub-Gründen bis zum Yeah-jetzt-haben-wir-unseren-eigenen-Klub ein gangbarer. Das heisst: Mehr als in anderen Ländern, wo es zur Gründung und Aufrechterhaltung eines Klubs ein breit verankertes Netzwerk von als Musikern aktiven Residents, assoziierten Labels und breit aufgestellten Veranstaltern benötigt, spriessen gerade in Zürich immer wieder Klubs aus dem Boden, die vor allem einer DIY-Logik folgen.
Die (zugegeben rhetorische) Frage dabei ist, ob mit jedem neuen Dancefloor wirklich eine Lücke in der bis dahin bestehenden Klublandschaft gefüllt wird, oder ob wir nicht schon längst in einer Phase der Übersättigung angekommen sind. Denn so sehr der vermeintlich so produktive Konkurrenzdruck die Klubs zu teils immer ausgefeilteren Konzepten getrieben hat, so sehr wird man häufig das Gefühl nicht los, dass man bei einem Klubbesuch zunächst einmal dem Klub einen Gefallen tut und nicht umgekehrt. Letztlich ist es keine gewagte These zu behaupten, dass in Zürich – aufgrund der schieren Vielzahl an Klubs – beim Abwägen zwischen der Realisierung einer jeweiligen Vision von Klubkultur und deren ökonomischen Machbarkeit Zweiteres immer mehr an Gewicht gewonnen hat.
Dahinter steckt die omnipräsente kapitalistische Logik: prinzipielles Vorhandensein von Startkapital, Konkurrenz, Differenzierung, Rationalisierung. Das Produkt das Erfolg hat, ist das rentabelste – was nicht heisst, dass es das Produkt ist, das die Konsumenten am meisten begehren, sondern nur, dass es sich auch unter schwierigen Bedingungen am besten verkaufen lässt. Gerade weil die meisten Klubbetreiber aber glücklicherweise nicht darauf aus sind, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern möglichst gute Partys zu veranstalten, ist diese Logik eine fatale. Ihr Kapital ist ihr Beitrag zur Klubkultur, das grosse Geld wird ohnehin woanders verdient.
Ist das der Fall, gilt es, die Frage wie viele Klubs eine Stadt braucht, nicht erst retrospektiv zu stellen, sondern von Anfang an im Blick zu haben. Zwar mag es etwas viel Altruismus verlangt sein, wenn man sich wünscht, dass sich die (Möchtegern-)Klubbetreiber mehr als Beitragende zur Klubkultur im Gesamten verstehen und weniger um ihre persönliche Anerkennung kümmern. Doch ist das Schöne an der Klubkultur nichts Anderes als genau dieser egoistische Altruismus: Eine Party macht einem erst dann Spass, wenn die Anderen auch Spass haben. Allgemein liesse sich also schliessen: Statt sich gegenseitig die Netzwerke abzuwerben, sollte man gemeinsam an grösseren Netzwerken weben. Nur dann einen neuen Klub gründen, wenn man auch wirklich etwas Neues macht. Lieber Veranstalter in einem Klub werden wollen, den man mag, als mit der Gründung eines eigenen dessen Existenz zu bedrohen. Als bestehender Klub sein Bestehen nicht zum Selbstzweck erklären etc. Das klingt zwar schön, ist es aber auch.