Doch was hier funktioniert, hat eine Kehrseite, die das, was man zum Feiern brauchen kann, mit dem verwechselt, was die Musik brauchen kann. Der Grund zu produzieren. Hier gibt es eine weitere Analogie zur Popmusik : Es ist keine Seltenheit mehr, dass Produzent/in und Künstler/in nicht die selben sind.
Worum also geht es ? Mischware. Zum einen will man als DJ nun mal für den Sound der Party verantwortlich sein, umso besser, wenn er von einem selbst stammt. Zum anderen will man Bookings. Nicht mehr nur Local-DJ sein. Artist. Main Act. Und damit das funktioniert, braucht man Sound, der funktioniert, unter eigenem Namen. Also nimmt man all die Elemente, die einen selbst beim Feiern immer geflasht haben, bastelt oder besorgt sich möglichst effektvolle, eindringliche Arrangements und hofft, dass dieselbe Geflashtheit wie bei einem selber sich auch bei der Party-Crowd einstellt. Mich erinnert das manchmal an Teenie-Bands in Jugendkulturzentren : Halbstarke Jungs wollen die coole Hälfte der Mädels mit Selbstgemachtem beeindrucken, und umgekehrt. Soll man sie doch rocken lassen, aber den Rock um Himmels willen nicht ernst nehmen.
Aber das ist zu weit aus dem Fenster gelehnt. Böse ist, wenn die Musik nur eine Funktion erfüllt ? Gut, wenn es um Musik selbst geht ? Bullshit. Das wäre ungefähr so bescheuert, wie zu behaupten, ein Track an sich sei ein besserer, nur weil er auf Vinyl gepresst ist, statt auf einem Laptop gespeichert. Ausserdem habe ich mich selbst schon dabei erwischt, dass alte Party-Bekannte, bei denen ich es immer für durchschaubar hielt, warum sie plötzlich produzieren, einen Track gemacht haben, zu dem ich erst wild gefeiert habe, um dann zu erfahren, dass er von ihnen stammt.
Wenn es eine Frage gibt, dann, um welche Funktion es überhaupt geht. Es ist ja mittlerweile geradezu eine Gegenbewegung geworden, elektronische Musik nur noch dann als innovativ zu begreifen, wenn man mit der Eingängkeit bricht, komplexere Rhythmen baut und auf Höhepunkte verzichtet. Nur dass man sie damit ihrer Funktion für den Dancefloor oft weitgehend beraubt, und sie für die Entwicklung der Klubmusik eine viel kleinere Rolle spielt, als ihr lieb wäre. Weil solche Musik einfach andere Stärken hat, als funktional zu sein. Und weil genau diese Funktionalität die Stärke der Klubmusik ist. Hier müssen wir endlich mal weiterkommen. Zum einen der Kreislauf, in dem funktionale Produzenten erfolgreich werden, weil sie populären Sound wiederkäuen (was übrigens für die London-Seite der Party-Welt genauso gilt wie für die Berlin-Seite). Zum anderen alternative Produzenten, deren Daseinsberechtigung sich daraus speist, alternativ zu sein. Was elektronische Klubmusik braucht, um nicht dem immer häufiger formulierten Verdikt zu unterliegen, dass sie so langsam ihr Limit erreicht hat, ist eine passionierte Beschäftigung mit nichts Anderem als ihrer Funktionalität : Wie kann richtig gute funktionale Musik heute aussehen ? Wie und warum kann Musik gut funktionieren ? Die selbstredend eine Funktion für den Klub und nicht die Produzenten erfüllt. Und natürlich würden sehr viele Produzenten diese Frage als ihre Leitfrage bezeichnen. Aber vielleicht sollten nicht die das entscheiden. Mir fallen da eine Menge Wege ein. Rezensenten zum Beispiel, die nicht nur den Sound besprechen, den sie mögen. Ein Diskurs, der den Wanst der elektronischen Musik endlich zu Pop erklärt und von diesem selbstgefälligen Underground-Label löst. Beatport-Charts ins Radio. Und gleichzeitig das Wissen, dass man als DJ nichts besser machen kann, als dass ein Track im Klub funktioniert.