27.12.2013 von Tobias Brücker

Gegen:stand — Der Cocktail

Der Cocktail ist ein alkoholhaltiges Mischgetränk: Diente er früher noch zum Aufbessern und Abschwächen billigen Fusels, wurde er im letzten Jahrhundert zum Genussmittel erster Güte. Der Cocktail will in Ruhe vorbereitet und getrunken sein. Alles ist wichtig und muss abgewogen werden : Der Geschmack des Gastes, das Wetter, die Farben, die Konsistenz, die Temperatur… Nicht erschrecken wenn der Barmann Fragen wie diese stellt : «Was haben Sie heute gegessen?» Es wird einem aber zugleich auffallen, dass bei zunehmendem Informationsstand der resultierende Drink nicht etwa konkreter fassbar, sondern eher noch mysteriöser und unvorstellbarer wird. Achtung : Je nach Trinkglas kann es von Vorteil sein, keine zitternden Hände vom Vorabend mitzubringen.

Ob Cocktail den frankophonen Anglizismus von Hahnenschwanzfedern, einen Siegestrunk beim Hahnenkampf oder das Stutzen von Pferdeschwänzen bezeichne – darüber hat sich schon manch ein Forscher den Kopf zerbrochen. Dabei liegt die Lösung allzu nah: Die Entstehungsgeschichte des Cocktails ist ein Cocktail. Der Mix aus Anekdoten, Legenden und Mythen lässt keinen anderen Schluss zu. Wir können unseren Blick also getrost von « Huhn oder Ei » abwenden und uns zurück in den Club begeben, wo die letzten « Gegen:stände » hergekommen sind.

Nur… hier gibt es nirgends Cocktails !

Was ist los?

PENG!

He shot me down, Bang bang,

I hit the ground, Bang bang,

that awful sound, Bang bang,

my baby shot me down.

Der «Shot» hat den Cocktail erschossen!

Der Shot – wortwörtlich ein Schuss – bezeichnet eine kleine Menge Starkalkohol. Er wird anfangs noch im Shot-Glas, später aber zunehmend aus kleinen Fläschchen eingenommen. Zunächst wird der Shot – der Rückschritt in die Panscherei des 18. Und 19. Jahrhunderts – wieder mit billigstem Discounter-Alkohol angerührt und meist in klebrigen Plastikbechern an die Menge abgeführt. Die Menge wiederum führt diese Verwahrlosung konsequent weiter, in dem sie die Brühe nicht selten auf dem Dancefloor und auf ihren Shirts verteilt. Anders als beim Cocktail wird der flüssige Inhalt nicht im Mund-raum verteilt und genossen, sondern möglichst schnell in die Tiefen der Speiseröhre gepresst. Ein Vorgang, der meist von schwulstigen Fratzen und Grimassen begleitet wird. Diese Umdisponierung wider den gemütlichen Genuss und die persönliche Beziehung zum Gast, führt in den Bars und Clubs zu einer phasenweisen Absetzung des Cocktails. Solchermassen ins Exil gedrängt, muss der Cocktail heute zwar aufwändig gesucht – kann aber gefunden werden.

Wie die guten alten Filme wird der Cocktail nie verschwinden. Und : Wie die guten alten Filme will der Cocktail suspense  ! Was ist alles drin  ? Wie wird er aussehen  ? Wie stark wird er sein  ? Wie bekomme ich ihn serviert  ? Oder mit dem guten alten Immanuel Kant gesprochen: « Was kann ich wissen  ? Was soll ich tun ? Was darf ich hoffen ? » Es liegt auf der Hand, dass ein guter Cocktail diese Fragen nicht löst, vielmehr – ( liebe Grüsse vom Mischgetränk ) – löst er sie auf !