29.05.2018 von Mathis Neuhais

Brendan Dougherty – Bewusster und unwissentlicher Kontext

Kurz vor der Veröffentlichung von Brendan Doughertys neuem Album Economy and Failure führte Mathis Neuhaus von zweikommasieben ein kurzes Gespräch mit dem in Berlin lebenden Künstler. Fokus des Gesprächs war die musikalische Praxis und welcher Kontext wann eine Rolle spielt – und wann nicht.

 

Bisher hatten wir vor allem Gelegenheit, mit Brendand Doughertys musikalischem Output vertraut zu werden, etwa mit der LP Sensate auf Entr’acte 2016 oder seinem Konzert im selben Jahr im Luzerner Klub Kegelbahn. Der in Philadelphia geborene Künstler ist allerdings auch schon lange im Performance und Theaterbereich aktiv. Zuletzt unter anderem diesen März im Rahmen des Supernova Festivals im Hebbel Am Ufer. Um unser Wissen diesbezüglich zu erweitern – und um die bevorstehende Veröffentlichung der LP Economy and Failure zu kontextualisieren – unterhielt sich Mathis Neuhaus mit Dougherty. Die Konversation findet sich hier gemeinsam mit allen bisher öffentlich zugänglichen Tracks vom neuen Album – neu inklusive «Red Dyer», mit dem die B-Seite der Platte beginnt.

 

https://soundcloud.com/zweikommasieben/sets/brendan-dougherty-economy-and

 

Mathis Neuhaus Du beschreibst dich selber als Künstler, der mit Sound arbeitet. Wie beinflusst diese Produktionswiese – etwa beim neuen Album Economy and Failure – deine Installationen sowie weiteren, künstlerischen Output? Oder was für Wechselwirkungen gibt es dabei?

Brendan Dougherty Etwa vor zwölf Jahren habe ich begonnen, mit nicht-musikalischen Künstlerinnen zu arbeiten. Bis zu dem Punkt war alles, was ich gemacht habe, auf das musikalische Material fokussiert – und konnte sich irgendwo zwischen Noise, Free-Jazz und experimenteller Musik bewegen. Als ich dann begonnen habe, mit Choreographen und visuellen Künstlerinnen zu arbeiten, erhielt die Musik einen klareren Zweck: Etwas, dem sie diente, es unterstützte oder auch gegenüberstand. Als ich nach dieser Periode wieder vermehrt an eigenen Produktionen zu arbeiten begann, war ein Bewusstsein für einen Kontext, den elektronische Musik haben kann, sehr hilfreich. Ich kann mich nun eher bewusst in einem bestimmten Rahmen bewegen oder diesen zumindest anerkennen.

MN Kollaborationen sind anscheinend gang und gäbe bei dir. Suchst du dir da bestimmte Leute aus, die sehr nahe in deiner künstlerischen Umlaufbahn sind oder auch solche, die sich stärker davon entfernen?

BD Ich hatte das Glück, mich in einer Szene von Berliner Künstler wiederzufinden, die abstrakt arbeiten und danach fragen, wie Performances gemacht sowie konsumiert werden und was für eine Rolle der Körper und die Identität einer Performerin spielt. Diese Fragen spielen meiner Meinung nach genauso eine Rolle für musikalische Performances – ein Dialog zwischen den beiden Bereichen begrüsse ich daher sehr. Darüber hinaus hatte ich die Gelegenheit mit Leuten wie Jeremy Wade, Ian Kaler und Meg Stuart zusammenzuarbeiten, die der Musik eine wichtige Rolle einräumen und ihr die Möglichkeit für ein Experimentieren mit Funktion und Wirkung bieten.

 

 

MN Der Pressetext des neuen Albums verweist auf einen nomadischen Prozess beim Produzieren in den letzten Jahren. Ich möchte gerne einen Fokus drauf legen. War das eine bewusste Entscheidung, sich nicht auf einen Ort zu verlassen beim Produzieren von Economy and Failure, sondern in den verschiedensten Situationen daran zu arbeiten?

BD Nein. Kurz nach der Veröffentlichung von meinem letzten Album Sensate wurde das Gebäude verkauft, das auch mein Studio beherbergte. Zwar hatte ich auch schon zuvor viel auf Reisen gearbeitet, aber es war das erste Mal, dass ich kein Studio hatte, zu dem ich immer wieder zurückkehren konnte. Das ist auf der einen Seite die traurige Realität; die meisten Künstler oder Musikerinnen können sich keinen Arbeitsplatz mehr in der Nähe ihres Wohnortes leisten. Auf der anderen Seite bot das mir auch die Gelegenheit, Dinge zu kreieren, die sonst in der vertrauten Studioumgebung nicht möglich gewesen wären.

MN Gab es Kriterien, anhand derer du dir bestimmte Umgebungen zum Produzieren des Albums gesucht hast?

BD Meistens war es einfach immer dann, wenn ich Zeit, meinen Laptop und Kopfhörer zur Verfügung hatte.

MN Was ist denn der Reiz daran, einfach überall arbeiten zu können? Könntest du jetzt zurückblickend bestimmen, welche Tracks wo gemacht wurden? Oder nochmals anders gefragt: Hatte die Umgebung einen Einfluss?

BD Gewisse Teile der Platte konnten wirklich nur dort entstehen, wo sie das taten – sei das nun ein Flughafen, eine Bäckerei oder der Küchentisch.

MN Und hat diese Arbeitsweise für einen Produktionsschub gesorgt oder machte es das Ganze eher schwieriger?

BD Die Konzentration zu finden ist sicherlich schwieriger, aber wenn ich dann mal konzentriert bin, entsteht meistens ein spannender Output. Vorhin habe ich ja erwähnt, dass ich mich noch an bestimmte Aufenthaltsorte, wo ich Tracks produziert habe, genau erinnern kann – eine Hotellobby in Zagreb oder der Flughafen in Brüssel kommt mir etwa in den Sinn. Aber ich glaube die Stücke haben diesen Verbundenheit zu den Orten verloren und wurden zu etwas Eigenem.

MN Das neue Album verfügt über Trance-Elemente, Techno-Patterns und Ambient-Texturen, die in der Gegenüberstellung immer wieder Spannung aufbauen und freisetzen. Wäre das auch eine adäquate Beschreibung deiner musikalischen Einflüsse?

BD Ja, Spannung und deren Freisetzung spielen eine wichtige Rolle. Dies allerdings nicht in einer Verbindung zu Techno oder was üblicherweise als Techno bezeichnet wird. Eine Verbindung zum Schlagzeugspielen und der Arbeit mit zeitgenössischem Tanz ist etwas, das ich damit eher in Verbindung setzen würde.

Brendan Doughertys neues Album Economy and Failure erscheint diesen Freitag, 01. Juni 2018, bei unserem Verlag Präsens Editionen und kann hier bestellt werden. Zur Feier der Veröffentlichungen werden wir diesen Mittwoch, 30. Mai, einen Abend im OHM Berlin präsentieren. Alle Details dazu gibt es hier bzw. hier.

Weiter wird Dougherty diesen Donnerstag auch am Balance Club / Culture Festival in Leipzig im Rahmen des Präsens Editionen Showcase spielen. Details dazu gibt es hier.