Das Feld, mit dem sich zweikommasieben seit nunmehr zehn Jahren beschäftigt, zeichnet sich durch ein schönes Merkmal aus: An sehr vielen Orten – grössere und auch kleinere Städte in Europa und darüber hinaus – gibt es mindestens eine kleine Gemeinschaft an Enthusiastinnen, die sich der gleichen oder einer ähnlichen Sache annehmen. Sie veranstalten Konzerte oder Partys und ermöglichen dadurch internationale Touren, produzieren Musik, betreiben Radiostationen oder -shows, veröffentlichen Tonträger auf eigenen Labels, suchen den Austausch mit Kollegen inner- und ausserhalb des eigenen Wohnorts. Die bayrische Stadt Nürnberg ist diesbezüglich keine Ausnahme. Zwischen Frankfurt am Main und München liegend ist sie nicht nur der Wohnort von etwas mehr als einer halbe Million Menschen sowie Heimat des 1. FC Nürnberg und Austragungsort des Megafestivals Rock im Park. Nürnberg beheimatet zudem auch eine kleine Community, die sich passioniert experimenteller elektronischer Musik annimmt.

Zu dieser Gemeinschaft zählt etwa It Isn’t Happening, eine Initiative, die Konzerte, Partys, Ausstellungen und Festivals ausrichtet. Die jüngste Festivalausgabe – die erste Hälfte der 2021er Edition – fand Ende Juli statt und umfasste Auftritte von Lyra Pramuk [siehe zweikommasieben #21], Les Trucs [siehe zweikommasieben #17], Belia Winnewisser [siehe zweikommasieben #18] und der Lokalmatadorin Liæn. Das Debüt von letzterer erschien vor einigen Wochen auf dem Label Verydeeprecords (VDR), das ein weiterer Beleg für die lebendige Szene in Nürnberg ist. Seit 2013 werden auf VDR Platten und Kassetten veröffentlicht, die sich als experimentelle elektronische Musik kategorisieren lassen. Wie in der Szene nicht unüblich ohne Genre-Scheuklappen und stets in hübschen Designs.

Betrieben wird das Label von Philipp Dittmar, der unter anderem als Red On eigene Musik veröffentlicht. Unter diesem Alias erscheint nun das Album Drums im Oktober auf VDR. Der Name deutet es an: Darauf beschäftigt sich der Labelmacher, Produzent und DJ vorwiegend mit aufgenommener Live-Perkussion, die er mal mehr, mal weniger erkenntlich bearbeitet und anreichert mit Synths, Gesang sowie weiteren Elementen. Dies trifft auch auf den Track «Ordinary Ghosts» zu, auf dem die Sängerin Jana Sotzko aka Point No Point zu hören ist. Der Song, der als Vorabsingle bereits Anfang August erscheint, bewegt sich zwischen Triphop, Kraut und Jazz und ist ein wunderbarer Beweis für die Vielfältigkeit des Labelkatalogs.

Das Video zu «Ordinary Ghosts», das wir vor Veröffentlichung exklusiv präsentieren, stammt von Sabrina Zeltner alias Subrihanna, die Red On auch bereits bei Live-Shows begleitet hat. Es zeigt Aufnahmen einer Schnecke. Es zeigt Aufnahmen einer Schnecke, die sich durch Natur und verwaiste Partyszenen bewegt. Überblendet werden die Aufnahmen immer wieder von den Lyrics, die Sotzko geschrieben hat, sowie von mehr oder weniger kryptischen Illustrationen und weiteren grafischen Elementen. Damit bietet das Video nicht nur ein hübsches Bild für den Track, der auch in Bristol hätte geschrieben werden können, sondern auch für die vergangenen anderthalb Jahren Pandemie des eingangs beschriebenen Feldes und deren Protagonistinnen.