Im Rahmen einer Residenz am HeK (Haus der elektronischen Künste Basel) erarbeitete Lázár die Installation A Trap for Your Attention. Marc Schwegler hat dem Künstler in diesem Kontext einige Fragen gestellt.
MS Du hast an der Pécs Universität elektronische Musik und Medienkunst studiert. Wie war das? Wie viel von dem, was du da gelernt hast, ist für dich heute noch von Belang? Und: Inwiefern hat dich das Studium auf die Musikindustrie vorbereitet?
GL Ja, ich habe da meinen Bachelor gemacht. Es war gut, ich habe eine Menge gelernt. Ich glaube, es geht darum, möglichst viele unterschiedliche Approaches kennenzulernen und dann seinen eigenen Weg zu gehen. Obwohl ich keinen akademischen Hintergrund habe, genoss ich es, entsprechende Inputs zu bekommen. Es kann auch sein, dass die Uni versucht, die Leute auf die sogenannte Musik- oder Kulturindustrie vorzubereiten – aber ich glaube, die sind nicht allzu erfolgreich damit. Vielleicht geht das auch überhaupt nicht. Niemand kann einen auf gewisse Dinge vorbereiten – man muss das selber erfahren und etwas draus machen.
MS Siehst du dich als Teil einer gewissen Tradition, was zum Beispiel musikalische Schulen angeht? Hat – um nur ein Beispiel zu machen – die ungarische Tradition von experimenteller Musik irgendeinen Einfluss auf das, was du machst? Oder gibt es da komplett andere Referenzen und Einflüsse?
GL Ich habe Max/MSP an der Uni kennengelernt und da wurde ich auch in die Anfänge der Geschichte der elektronischen Musik eingeführt und habe das erste Mal Begriffe wie algorhytmische oder generative Musik gehört. Aber ich habe eine andere Geschichte, einen anderen Hintergrund, der mich zu dem geführt hat, was ich heute mache. Mit 15 oder 16 habe ich Martin—S Olbricht—kennengelernt, der in der Nachbarschaft wohnte. Er stand auf Drum&Bass zu der Zeit – insbesondere auf Metalheadz, was ein sehr interessantes Label war zu der Zeit, denke ich. Wir haben dann gemeinsam andere Labels wie Editions Mego, Ant-Zen, Old Europa Cafe, Southern Lord, Touch oder Sähkö entdeckt, um nur einige zu nennen. Und dann haben wir fast zehn Jahre gemeinsam Musik gemacht. Später haben wir dann Gergö Szinyova getroffen, einen ungarischen Maler. Wir haben uns angefreundet und dann viele gemeinsame Projekte realisiert – Fanzines, Tapereleases zum Beispiel, auch haben wir an Gergös Ausstellungen aufgelegt. Wir haben also vieles gemeinsam gemacht und uns gegenseitig beeinflusst. Ich habe schöne Erinnerungen an die Zeit und sie war sehr wichtig, für das was ich heute mache.
GL Wie würdest du dich nennen – Komponist, Künstler, Produzent? Und wie würdest du das Feld beschreiben, in dem du arbeitest? Experimentelle Musik? Klangkunst?
MS Meine Musik ist inspiriert von Musiktechnologie oder versucht sie zu reflektieren. Aber ich spreche lieber über die ästhetischen Aspekte meiner künstlerischen Praxis als über die technische Seite. Ich interessiere mich auch für andere Medien wie Licht, um meine Ideen zu realisieren. Ich mag den Gedanken, musikalisch nicht relevante Quellen als Kompositionstools zu verwenden – beispielsweise generative Techniken, die man als Dirigent einsetzt. Das muss nicht heissen, dass ich meine Musik total dem Zufall überlasse. Ich stelle immer sehr strikte Regeln und Limitationen auf in Bezug auf die Veränderungen, die von statten gehen sollen. Unvorhersehbarkeit und Zufälligkeit spielen eine Rolle beim Timing: Wann und wie lange gewisse Veränderungen auftreten. Mein Techno-Background ist dabei zentral – und damit fühle ich mich sehr wohl.
MS Was würdest du sagen, ist denn genau der Zusammenhang zwischen Zufälligkeit und deinen Kompositionen?
GL In meiner Musik geht es nicht um zufällige Prozesse. Diese Prozesse sind kompositorische Werkzeuge, Erweiterungen des Körpers – es ist wie wenn ich einfach ein paar Hände mehr hätte, um damit mein Instrument zu spielen. Was ich mache, ist dem Computer gewisse Optionen zu überlassen, aus denen er dann auswählt und entscheidet, zu welchem Zeitpunkt sie zum Tragen kommen sollen. Ich stelle alle Bedingungen auf, wie die Musik zu klingen hat – und das ist mein Hauptanliegen: Es muss gut klingen, damit ich zufrieden bin und beginne, aufzunehmen. Viele Musiker brauchen ähnliche Techniken in anderen Kontexten. Sogar Mozart hat teilweise Würfel eingesetzt, um kompositorische Prozesse voranzubringen… Es ist also nicht so, als würden wir seit der Einführung des Computers einfach durchdrehen… Ähnliche Techniken existieren schon lange und das in verschiedensten Bereichen der Kunst.
MS Hat denn der Begriff „Minimalismus“ irgendeine Bedeutung für deine Arbeit?
GL Was bedeutet Minimalismus heute schon? Wo ist das Minimum und das Maximum in unserer Zeit? Es ist ein weiterer problematischer Begriff. Ich mag es, nur mit einigen Parametern zu arbeiten und dann damit die Details und kompositorischen Möglichkeiten eines gewissen Klangs or eines Patterns zu artikulieren. Wiederum: Techno war und ist immer noch eine zentrale Einflussgrösse für mich. Ich glaube, dass repetitive Musik den Leuten erlaubt, Details immer und immer wieder zu hören, bis sie beginnen, die Unterschiede zwischen verschiedenen Claps oder kleine Verschiebungen in der Rhythmik zu bemerken. Sie werden sich damit den temporalen und texturellen Qualitäten bewusst und können tiefer in die Musik eintauchen. Das ist auch mir so gegangen: Ich habe jede Menge Musik gehört und dann auch jede Menge beschissene, bedeutungslose Tracks gemacht, mein Gott… Aber auch heute noch ist meine Musik eine Art Techno.
MS Die Installation, die du fürs HeK gemacht hast, trägt den Titel A Trap for Your Attention und geht zurück auf ein Zitat des bekannten Medientheoretikers Marshall McLuhan. Er hat sich damit sowohl auf Kunst wie auch auf Werbung bezogen. Siehst du denn Ähnlichkeiten in den beiden Feldern?
GL In dem Vortrag, den ich mir auf YouTube angesehen habe, wurde McLuhan gefragt, ob er seine Aussage, die Werbung sei die Volkskunst des 20. Jahrhunderts, erklären könne. Er meint, der Hauptauftrag des Werbers sei es, Aufmerksamkeit zu erregen. Aber für McLuhan gilt das auch für den Maler, den Dichter, den Musiker oder jeden Künstler – das Aufstellen von Fallen für die Aufmerksamkeit sei die Natur der Kunst. McLuhan geht das Ganze also von einer sehr psychologischen Seite an – das ist für mich auch eine interessante Art und Weise, über Musik nachzudenken. Also dachte ich, dass das doch ein guter Titel für mein Werk sein könnte. Ich meine damit nicht, dass ich eine virtuose Lichtshow mit abstraktem Sound machen will, um die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen. Vielmehr ist es ein Vorschlag, wie Musik in den Dimensionen von Wahrnehmung und Erkenntnis zu reflektieren wäre, ohne dabei einen pseudowissenschaftlichen Kontext um mein Werk zu bauen.
MS Ist es denn möglich für den Besucher, der Falle zu entkommen? Ich meine: Gibt es eine Möglichkeit, ein gewisses Verständnis für die Konstruktionsbedingungen des Werks zu bekommen? Ist dir das wichtig?
GL Du meinst, ob man die Zusammenhänge innerhalb der Installation verstehen kann/soll? Sicher. Jedes Stück besteht aus zwei bis drei Variablen und funktioniert sehr intuitiv, denke ich. Man kann einfach zuschauen und zuhören und versteht dabei die Sprache, auch wenn man den technischen Hintergrund nicht hat. Der Punkt, an dem man etwas zu verstehen beginnt, ist nicht notwendigerweise der Punkt, an dem man gelangweilt ist. Ich glaube, es kann immer noch interessant sein, wenn schon lange klar ist, was gerade passiert. Einer der Gründe, warum die Leute auf repetitive Musik stehen, ist doch, weil sie die Strukturen schon längst kennen und so auf die Details achten können. Das gilt doch auch für anspruchsvollere Kontexte.